Straßenbahn: Geschichte Unternehmensvielfalt bis zur Gründung der BVG

Straßenbahn Geschichte Unternehmensvielfalt bis zur Gründung der BVG

2. Unternehmensvielfalt bis zur Gründung der BVG

Ich versuche hier, die wechselvolle Geschichte der Berliner Strassenbahn etwas zu entwirren. Ein bisschen Farbe soll hier ebenfalls helfen, Licht ins Gewirr der Gesellschaften zu bringen:
Aus vielen einzelnen, kleinen Gesellschaften (z.B. "Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft") wuchsen langsam grössere (hier "Berlin-Charlottenburger Strassenbahn"), die sich wiederum vereinigten bzw. kauften (hier durch die "Grosse Berliner Strassenbahn") oder kommunalisiert wurden (wie z.B. die "BESTAG"). Weiter ging es über die "Berliner Strassenbahn" bis zur heute noch existenten BVG. Die Unternehmensgeschichte der Berliner Straßenbahn ist äußerst kompliziert. Neben privaten Unternehmen, die durch Übernahmen, Fusionen und Konkurse häufig wechselten, besaßen die Städte Berlin, Spandau, Köpenick, Rixdorf, die Gemeinden Steglitz, Mariendorf, Britz, Niederschönhausen, Friedrichshagen, Heiligensee und Französisch Buchholz sowie der Kreis Teltow zumindest zeitweise eigene kommunale Straßenbahnbetriebe. Die wichtigste private Betreiberin war die Große Berliner Pferde-Eisenbahn, die sich nach Beginn der Elektrifizierung Große Berliner Straßenbahn (GBS) nannte und nach und nach fast alle anderen Unternehmen aufkaufte. 1920 fusionierte die GBS mit den städtischen Unternehmen BESTAG und SSB zur Berliner Straßenbahn, die 1929 in die neu gegründete, städtische Berliner Verkehrs-AG (BVG) überführt wurde. Die BVG übernahm außer der Straßenbahn auch die Hoch- und Untergrundbahnen sowie die überwiegend von der Allgemeinen Berliner Omnibus-Actien-Gesellschaft (ABOAG) betriebenen Buslinien. Bis zur Gründung der BVG betrieben folgende Unternehmen Straßenbahnstrecken in Berlin (sortiert nach Eröffnungsjahr der ersten Strecke):

 

 

 

2.a. Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft – Berlin-Charlottenburger Strassenbahn

11.05.1865 Gründung der "Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft"
22.06.1865 Betriebsaufnahme
01.11.1871 "Westend-Terrain-Gesellschaft" nimmt Betrieb auf
1875 Übernahme der "Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft" durch J. Lestmann & Co.
1878 Strecke der "Westend-Terrain-Gesellschaft" geht an "Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft"
1890 Bild: Netz um 1890
26.09.1894 aus "Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft" wird "Berlin-Charlottenburger Strassenbahn"
15.05.1919 Übernahme durch die "Grosse Berliner Strassenbahn"
 

2.b. Westliche Berliner Vorortbahn

05.05.1886 Betriebsaufnahme auf der Strecke Zoo – Halensee durch "Davy, Donath & Co"
1888 "Berliner Dampfstrassenbahn-Konsortium" übernimmt den Betrieb
18.05.1888 "Wilmersdorf-Schmargendorfer Dampfstrassenbahn Reymer & Masch" eröffnet Nollendorfplatz – Schmargendorf
22.12.1888 "Berliner Dampfstrassenbahn-Konsortium" übernimmt "Wilmersdorf-Schmargendorfer Dampfstrassenbahn Reymer & Masch"
1896 Bild: Netz um 1896
25.06.1898 Gründung der "Westlichen Berliner Vorortbahn"
01.10.1898 "Westlichen Berliner Vorortbahn" übernimmt "Berliner Dampfstrassenbahn-Konsortium"
1911 Bild: Netz um 1911
15.05.1919 Übernahme durch die "Grosse Berliner Strassenbahn"
 

2.c. Südliche Berliner Vorortbahn

04.07.1898 Gründung
01.07.1899 Betriebsaufnahme

1911

Bild: Netz um 1911
15.05.1919 Übernahme durch die "Grosse Berliner Strassenbahn"
 

2.d. Nordöstliche Berliner Vorortbahn

21.10.1899 Betriebsaufnahme der Strassenbahn "Berlin – Hohenschönhausen"
10.12.1906 Übernahme durch die "Neue Berliner Strassenbahn Nordost"
03.05.1919 Übernahme durch die "Nordöstliche Berliner Vorortbahn"
15.05.1919 Übernahme durch die "Grosse Berliner Strassenbahn"
 

2.e. Berliner Ostbahnen

1894 Gründung der "Gesellschaft zum Bau von Untergrundbahnen GmbH"
18.12.1899 Eröffnung der "Strassenbahn Schlesischer Bahnhof – Treptow"
15.08.1901 Eröffnung der "Strassenbahn Niederschöneweide – Cöpenick"
1901 Kauf der 1890 erbauten Güterbahn Oberschöneweide
22.06.1909 aus "Strassenbahn Schlesischer Bahnhof – Treptow" und "Strassenbahn Niederschöneweide – Cöpenick" werden die "Berliner Ostbahnen"
1913 Bild: Netz um 1913
08.09.1919 Zweckverband Gross-Berlin kauft "Berliner Ostbahnen"
01.05.1920 Übernahme durch die "Grosse Berliner Strassenbahn"
 

2.f. Städtische Strassenbahn Cöpenick

 

 

18.10.1882 "Cöpenicker Pferde-Eisenbahn" nimmt Betrieb Bahnhof – Schlossplatz auf
11.08.1903 Aufnahme des elektrischen Betriebes, Umbenennung in "Städtische Strassenbahn Cöpenick"

1912

Bild: Netz um 1912
01.10.1920 Übernahme durch die "Grosse Berliner Strassenbahn"
 

2.g. Friedrichshagener Strassenbahn

 

 

15.04.1891 Gründung der "Friedrichshagener Strassenbahn"
17.05.1891 Betriebsaufnahme zwischen Bahnhof und Restaurant Bellevue
1894 Gemeinde Friedrichshagen kauft die Bahn
1906 Stadt Cöpenick kauft die Bahn
16.12.1906 Aufnahme des elektrischen Betriebes durch die "Städtische Strassenbahn Cöpenick"
 

2.h. Strassenbahn Heiligensee

 

 

29.05.1913 Betriebsaufnahme
01.10.1920 Übernahme durch die "Grosse Berliner Strassenbahn"
 

2.j. Spandauer Strassenbahn

 

 

26.04.1892 Gründung der "Spandauer Strassenbahn"
05.06.1892 Betriebsaufnahme
1894 Übernahme durch die "Allgemeine Deutsche Kleinbahn-Gesellschaft"
18.03.1896 Aufnahme des elektrischen Betriebes
04.03.1899 Übernahme durch die "Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft AEG"
1906/1907 Umspurung von 1000mm auf 1435mm
01.07.1909 Kauf der "Spandauer Strassenbahn" von der Stadt Spandau

1909

Bild: Netz um 1909
08.12.1920 Übernahme durch die "Grosse Berliner Strassenbahn"
 

2.k. Elektrische Strassenbahn Spandau – Nonnendamm

 

 

23.03.1908 "Siemens & Halske" nimmt Güterverkehr Spandau – Nonnendamm auf
30.09.1908 Personenverkehr aufgenommen
01.07.1909 eigene Gesellschaft gegründet: "Elektrische Strassenbahn Spandau – Nonnendamm GmbH"
01.10.1909 Stadt Spandau erwirbt alle Anteile an der Bahn
01.04.1910 "Spandauer Strassenbahn" übernimmt den Betrieb
01.10.1914 Nonnendamm-Bahn geht in "Spandauer Strassenbahn" auf
 

2.l. Teltower Kreisbahnen (Schmalspur)

 

 

16.05.1881 erste elektrische Strassenbahn der Welt nimmt den Betrieb auf
1895 neuer Name: "Elektrische Strassenbahnen Gross-Lichterfelde – Lankwitz – Steglitz – Südende
1895 Bild: Netz um 1895
01.04.1906 Kreis Teltow kauft die Bahn
1914 Bild: Netz um 1914
16.04.1921 Übernahme durch die "Berliner Strassenbahn"
 

2.m. Teltower Kreisbahnen (Normalspur)

 

 

1887 Gründung der "Dampfstrassenbahn Gross-Lichterfelde – Seehof – Teltow"
01.07.1888 Eröffnung der Strecke Gross-Lichterfelde – Teltow
01.04.1906 Kreis Teltow kauft die Bahn
30.03.1907 Aufnahme des elektrischen Betriebes
05.06.1909 Eröffnung Bahnhof Adlershof – Altglienicke
16.04.1921 Übernahme durch die "Berliner Strassenbahn"
 

2.n. Strassenbahn der Gemeinde Steglitz

 

 

03.12.1905 Betriebsaufnahme
16.04.1921 Übernahme durch die "Berliner Strassenbahn"
 

2.o. Berliner Verkehrs-GmbH

 

 

09.03.1912 Benzolbetrieb aufgenommen von der "Schmöckwitz-Grünauer Uferbahn"
Juli 1912 Aufnahme des elektrischen Betriebes
August 1924 Übernahme durch die "Berliner Verkehrs-GmbH"
01.03.1925 Übernahme durch die "Berliner Strassenbahn Betriebs-GmbH"
 

2.p. Strassenbahn Warschauer Brücke – Lichtenberg

 

 

01.01.1910 Betriebsaufnahme
01.04.1928 Übernahme durch die "Berliner Strassenbahn Betriebs-GmbH"
 

2.r. Kleinbahn Spandau – Hennigsdorf

 

 

08.01.1923 Inbetriebnahme Spandau West – Hennigsdorf, Rathenaustrasse
11.11.1929 Aufnahme des elektrischen Betriebes
23.07.1931 Verlängerung zum S-Bahnhof in Hennigsdorf
April 1945 Einstellung des Betriebes
 

2.s. BESTAG (Berliner Elektrische Strassenbahn AG)

 

 

10.09.1895 Strassenbahn Gesundbrunnen – Pankow von "Siemens & Halske" eröffnet
15.04.1896 Strassenbahn Berlin – Treptow von "Siemens & Halske" eröffnet
01.07.1899 Gründung der "BESTAG"
22.07.1907 Vertrag mit Gemeinde Französisch-Buchholz über Elektrifizierung der seit 1904 bestehenden Pferdebahn
08.12.1907 elektrischer Betrieb in Französisch-Buchholz aufgenommen
1916 Bild: Netz um 1916
20.09.1919 Auflösung der AG, Umwandlung in einen Kommunalbetrieb
13.12.1920 "BESTAG" geht in der "Berliner Strassenbahn" auf
 

2.t. Grosse Berliner Pferde-Eisenbahn – Grosse Berliner Strassenbahn

 

 

08.11.1871 "Grosse Berliner Pferde-Eisenbahn" gegründet
08.07.1873 Betriebsaufnahme
01.07.1879 Betriebsüberlassungsvertrag mit der 1872 gegründeten "Grossen Internationalen Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft"
1882 Übernahme der 1881 gebauten Pferdebahn Tegeler Chaussee – Tegel
1886 Übernahme der "Grossen Internationalen Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft"
01.01.1887 Übernahme der 1885 eröffneten Pferde-Eisenbahn der Gemeinde Rixdorf
01.01.1888 Übernahme der Pferde-Eisenbahn der Gemeinde Mariendorf
01.08.1891 Übernahme der Pferde-Eisenbahn der Gemeinde Bitz
01.06.1892 Übernahme der Pferde-Eisenbahn der Gemeinde Niederschönhausen
01.02.1894 Übernahme der Verwaltung der 1876 gegründeten "Neuen Berliner Pferdebahn-Gesellschaft"
1896 Bild: Netz um 1896, City-Netz um 1896
25.01.1898 aus "Grosser Berliner Pferde-Eisenbahn" wird die "Grosse Berliner Strassenbahn"
01.01.1900 Übernahme der "Neuen Berliner Pferdebahn-Gesellschaft"
1913 Bild: Netz um 1913 außen, Netz um 1913 City West, Netz um 1913 City Ost
15.05.1919 Verschmelzung der "Grossen Berliner Strassenbahn" mit "Berlin-Charlottenburger Strassenbahn", "Westlicher Berliner Vorortbahn", "Südlicher Berliner Vorortbahn" und "Nordöstlicher Berliner Vorortbahn"
15.07.1919 Zweckverband Gross-Berlin kauft "Grosse Berliner Strassenbahn"
01.05.1920 Übernahme der "Berliner Ostbahnen"
01.10.1920 Gross-Berlin wird geschaffen, daher Übernahme der Strassenbahnen von Heiligensee und Cöpenick
08.12.1920 Übernahme der "Städtischen Strassenbahnen Spandau"
13.12.1920 "Grosse Berliner Strassenbahn" geht in der "Berliner Strassenbahn" auf
 

2.u. Städtische Strassenbahnen Berlin

 

 

18.10.1900 Stadtverordnete beschliessen eigenen Strassenbahnbetrieb
01.07.1908 Eröffnung der ersten beiden Linien
01.01.1910 Kauf der am 01.10.1901 eröffneten Strecke Warschauer Brücke – Central-Viehhof der Hochbahngesellschaft

1917

Bild: Netz um 1917
13.12.1920 "Städtische Strassenbahnen Berlin" geht in der "Berliner Strassenbahn" auf
 

2.v. Berliner Strassenbahn

 

 

13.12.1920 Gründung der "Berliner Strassenbahn"
aus "BESTAG", "Grosse Berliner Strassenbahn", "Städtische Strassenbahnen Berlin"
16.04.1921 Übernahme der Teltower Kreisbahnen, der Strassenbahn der Gemeinde Steglitz
08.09.1923 letzter Betriebstag, Umwandlung am 10.09.1923 in die "Berliner Strassenbahn Betriebs-GmbH"
 

2.w. Berliner Strassenbahn Betriebs-GmbH

 

 

10.09.1923 Betriebsaufnahme

1923

Bild: Netz am 10.09.1923, City-Netz am 10.09.1923
01.03.1925 Übernahme der Berliner Verkehrs-GmbH
15.03.1927 20-Pfenning Einheitstarif eingeführt
01.04.1928 Übernahme der Strassenbahn Warschauer Brücke – Lichtenberg
01.01.1929 "Berliner Strassenbahn Betriebs-GmbH" geht in der BVG auf
 

2.x. BVG

 

 

Am Gründungstag der BVG betrieb diese 89 Straßenbahnlinien und ein Netz mit 634 km Streckenlänge, besaß 4000 Straßenbahnfahrzeuge und beschäftigte 14.400 Personen allein bei der Straßenbahn. Die Straßenbahn leistete 170 Millionen Wagenkilometer pro Jahr und beförderte 1929 929 Millionen Fahrgäste. Ende diesen Jahres gab es bereits 93 Straßenbahnlinien. Anfang der 30er Jahre begann langsam der Abstieg des riesigen Berliner Straßenbahnnetzes. Nachdem 1930 bereits die historische, erste elektrische Straßenbahnstrecke in Lichterfelde stillgelegt wurde, folgte am 31. Oktober 1934 die älteste Straßenbahnlinie Deutschlands: die Charlottenburger Chaussee (heute Straße des 17. Juni) wurde von den Stadtplanern der Nazis zur monumentalen Ost-West-Achse umgebaut, die Straßenbahn musste weichen. 1938 gab es noch 71 Straßenbahnlinien, 2800 Fahrzeuge und rund 12.500 Beschäftigte. Das Omnibusnetz wurde dagegen konsequent erweitert, seit 1933 gab es in Berlin außerdem Oberleitungsbusse. Während des 2. Weltkriegs wurden zur Einsparung von Mineralöl einige Verkehrsaufgaben von Omnibus und Lastkraftwagen auf die Straßenbahn (zurück-)verlagert, unter anderem wurde ein umfangreicher Güterverkehr eingerichtet; viele Unternehmen und einige Häfen erhielten einen Gleisanschluss an die Straßenbahn. Durch Luftangriffe (ab März 1943), Personal- und Strommangel gingen die Fahrleistungen der Straßenbahn im Verlauf des Krieges immer weiter zurück, bis der Betrieb während des Endkampfs um Berlin am 23. April 1945 völlig zusammenbrach.
01.01.1929 Gründung der BVG als Berliner Verkehrs-Aktiengesellschaft
15.02.1930 Umstellung der Schmalspurstrecken im Südwesten abgeschlossen

1930

Bild: Netz um 1930, City-West-Netz um 1930, City-Ost-Netz um 1930
01.09.1933 10-Pfenning Einheitstarif eingeführt
01.01.1938 Umwandlung der BVG in einen städtischen Eigenbetrieb "Berliner Verkehrs-Betriebe"
01.04.1941 Einführung eines umfangreichen Nachtbetriebes wegn des Krieges
22.04.1945 letzter Betriebstag vor Kriegsende
20.05.1945 erster Betriebstag nach Kriegsende
24.06.1948 Einschränkungen wegen der Blockade
12.05.1949 Blockade-Einschräkungen aufgehoben

1949

Bild: Netz am 31.07.1949,City-Netz am 31.07.1949
01.08.1949 Spaltung der BVG in BVG (West) und BVG (Ost) / BVB